15 Mai 2006

Hurra Deutschland

Kleine Zwangshandlungen sind das Schlechteste nicht. Zum Beispiel die, den Fernseher immer nur auf 1, ARD, auszuschalten; Sonntag abend. Der Tatort vorbei, noch schnell mal rüber nach 5 auf den Videotext von ORF, wo immer die ein oder andere Rosine zu finden ist, diesmal allerdings nicht, also wieder zurück zur 1, um auszuschalten.

Eigentlich. Denn da sitzt doch glatt Harald Schmidt in der Christiansen-Runde, die neben der Gastgeberin aus den Herren Gerhardt, Wowereit, Adorf und Mehdorn besteht. Thema: Die Lage der Nation. Nation in dem Fall Deutschland, und ob es hier prima ist oder nicht.

Ich hätte gestern auf prima plädiert. Schon mal aus dem japanischen Ansatz heraus: Deutschland, das ist grüne Wälder, Beethoven, Schumann, Fachwerk und Schlösser (nur bitte ohne Neuschwanstein).

Schwetzingen bei Mannheim zum Beispiel, das schnucklige Sommerschloss von Kurfürst Karl Theodor, der schon mal sympathisch daherkommt, weil er in über 50 Jahren Regentschaft nicht einen Krieg geführt (sein royaler Kollege Friedrich II von Preußen hat ihn deswegen immer abfällig als 'pfälzisches Glücksschwein' bezeichnet) und lieber in Musik (seine Musiker waren die europaweit bestbezahlten ihrer Zeit) und Wetterbeobachtung (er war praktisch Erfinder der täglichen Meteo-Aufzeichnungen) investiert hat. Nach ihm ist übrigens der Karlsplatz in München benannt, den sie aber Stacchus nennen, weil Karl Theodor nie einen Hehl draus gemacht hat, dass er das von ihm geerbte Bayern eigentlich nicht regieren und lieber an Österreich abgeben wollte.

Für Schwetzingen gibt es zwei Autobahnabfahrten, trotzdem ist es möglich, die zu verpassen. Von Norden her landet man dann am Dreieck Hockenheim. Dort gibt's die Abzweigung Richtung Speyer, von der aus in der Entfernung 2 Türme zu sehen sind. Klingt nach Herr der Ringe, ist aber, wie der Autoatlas verrät, der Kaiserdom. Mal vorbeischauen kann nicht schaden.

Und das entpuppt sich als die Idee des Tages: An einem Samstagspätnachmittag, wenn die Sonne schon ein bisschen abblendet, verschlafene Italianità in der Luft hängt und kaum Leute unterwegs sind, hat dieser Dom, an die 1000 Jahre alt, eine Ausstrahlung, die man wahrscheinlich mystisch nennt. Vielleicht auch märchenhaft. Dazu passt, dass über dem Chor-Raum eine gigantische Krone hängt, die auch gut im Thronsaal von König Artus vorstellbar wäre.

Also, um die Schwärmerei in einen Satz zu gießen: Sich verfahren und dann mal eben bei der größten romanischen Kirche der Welt aufschlagen, das ist Deutschland.

Kann es jedenfalls sein, wenn es einen guten Tag hat.

Hässliche Gegenbeispiele gibt's, wie der Stau bei der Heimfahrt beweist, natürlich genug. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

13 Zweitstimme(n):

15/5/06 13:35, Blogger Lundi schreibt:

Wunderbar, Frau Einzelfall, wie sie da einen roten Faden von ihrem Wohnzimmer über Schwetzingen, München bis nach Speyer legen und somit Deutschland definieren. Das schönste am Schwetzinger Schloss ist meiner Meinung nach der Barockgarten - schon fast das Gegenteil eines romanischen Doms.

 
15/5/06 19:36, Blogger Pe Pe schreibt:

Madame Einzelfall hat die Vorderpfalz entdeckt. Wie schön.
Meine Frau habe ich in der Gegend kennengelernt, geheiratet und dann [nix wie weg da] mitgenommen ins Rhein-Main-Gebiet.
Wenn Sie davon erzählen ist es wunderschön - ich habe es etwas anders kennengelernt. Allerdings nicht Speyer selbst; diese Stadt ist wirklich schön.

 
15/5/06 21:24, Anonymous Anonym schreibt:

Sie können einem so richtig Lust machen, eine Ausfahrt zu verpassen.

 
15/5/06 21:36, Anonymous Anonym schreibt:

Noch was: In München der Englische Garten kommt von Carl Theodor.

 
15/5/06 21:40, Anonymous Anonym schreibt:

Was haben Sie gegen Neuschwanstein? Was wäre denn Disney Land ohne? Kein Märchen: König Lucky II hat auch keine Kriege geführt und schwul wurde er nur, weil ihn die Schneider Romy verschmähte.

Deutschland wäre allerdings noch viel schöner ohne Christiansen/Mehdorn.

 
15/5/06 21:46, Anonymous Anonym schreibt:

Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

 
15/5/06 21:58, Anonymous Anonym schreibt:

Administrator, ich hier?

 
15/5/06 22:51, Blogger kein einzelfall schreibt:

@lundi: Jetzt mache ich mir Gedanken, über was für eine Art von Garten Sie verfügen. Wer den (kein Zweifel: bildschönen) Park von Schwetzingen einen Garten nennt, der ist offensichtlich Dimensionen gewohnt, wie sie uns normalen Erdlingen eher nicht vertraut sind. Am Ende findet Ihr erwähnter Umzug da in diesen Pariser Vorort mit V statt!?!

@pe_pe: Ist Mainz noch Vorderpfalz? Wahrscheinlich schon hartes Kerngebiet. Habe nämlich eben den Report von da geschaut. Wg. Herrn Schmidt natürlich. Aber zur Sache: Ich glaube Ihnen sofort, dass die vorderpfälzische Idylle ihre Kehrseiten hat, aber aus dem touristischen Winkel - und irgendwie finde ich das Touri-Sein im eigenen Land reizvoll - gibt die Gegend wirklich was her. Oggersheim freilich habe ich großräumig umfahren.

@rabe: So wie Sie das sagen, erinnert das an das Gedicht von Robert Frost, The road not taken. Auch wenn es im Zusammenhang mit einer Autobahn vielleicht nicht ganz so greift, doch der gefühlte Effekt bleibt der selbe.

@monika: Stimmt, danke für den Nachtrag.

@kiniopa: Royalistische, pro-monarchische Stimmen aus St. Pauli? Wer sind Sie, und was haben Sie mit dem neobazi gemacht??!??!
Mehdorn war überraschend unschlimm, und über Frau C. hänge ich gewohnheitsmäßig den Mantel des Schweigens.

@abundzu: Das scheint neu zu sein, hat wohl der kleine Rollstuhlfahrer mit sich gebracht. Ein neuer Kommentar steht Ihnen übrigens offen.

 
16/5/06 01:24, Anonymous Anonym schreibt:

»The road not taken« ist wunderbar. Besten Dank für den Link.

 
16/5/06 08:29, Anonymous Anonym schreibt:

An ihren Taten sollt ihr sie messen! Mehdorn ist ein aalglatter Hund und schuld daran, daß Opa seine Enkel nur noch einmal im Jahr besuchen kann. Wer sich solche Leute in den Vorstand holt, disqualifiziert sich bei Opa:

Am 29. Oktober 1983 verursachte Wiesheu unter Alkoholeinfluss (1,75 Promille) einen schweren Verkehrsunfall, bei dem eine Person getötet und eine weitere schwer verletzt wurde. Daraufhin trat Wiesheu im November 1983 als Generalsekretär der CSU zurück. Am 9. Mai 1984 hob der Bayerische Landtag seine Immunität auf. Er wurde später zu 12 Monaten Haft, ausgesetzt zur Bewährung, sowie einer Geldstrafe von 20.000 DM verurteilt.
Wiesheu wurde u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet. Am 7. Mai 2004 wurde Wiesheu zum Nachfolger von Jürgen Möllemann als Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft gewählt.


Da hat das Volk von St.Pauli schon lieber einen spinnerten Kini. Vorher muß er allerdings versprechen, daß er ins Wasser geht, wenn er Mist baut.

 
16/5/06 15:43, Blogger Oles wirre Welt schreibt:

Direkt neben meiner Heimatstadt gibt es die schöne Autobahnabfahrt Bingum/Jemgum. :)

 
16/5/06 17:18, Blogger kein einzelfall schreibt:

@rabe: Ne? Vor allem die letzte Strophe. Freut mich, dass Sie es mögen.

@opa: Oh ja, die Amigos. Und Moral ist, was man doppelt hat.

@ole: Auch von da kann man sicher sehr schön die Kurve kriegen.

 
17/5/06 21:37, Anonymous Anonym schreibt:

@anonym: Selbstgemacht?

 

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