Brecht bricht Teenie-Herz
Schulzeit in den frühen Achtzigern, schwäbische Provinz. Wir hatten noch hölzerne Schultische. Die wurden von den älteren (und bewunderten) Jahrgängen mit Bleistift vollgekritzelt und gern auch mal mit Einschnitzungen verziert. Meistens standen da 'Peace'-Zeichen, "Pink Floyd", Grinsegesichter und das, was in der Zeit Sponti-Sprüche genannt wurde ("Freie Sicht bis Italien - weg mit den Alpen").
Einmal war ein Gedicht* dabei.
Und es war das erste Mal, dass ich als präpubertäre Göre nicht albern gekichert und desinteressiert getan habe bei so einer extremen Peinlichkeit wie einem Liebesgedicht, denn ein solches war es. Schlicht, kitschfrei und so echt, dass man es - wenigstens so ganz für sich im Innern - einfach schön finden konnte; eine Ahnung, wie das wohl mal sein würde mit dem ganz großen Gefühl.
Es war von Bert Brecht. Der heute Geburtstag hätte.
Ein schöner Anlass, in der missgünstigen Buchstabensuppe zu versuchen, einmal GEDICHT hinzulegen.
*
Morgens und abends zu lesen
Der, den ich liebe
Hat mir gesagt
Daß er mich braucht.
Darum
Gebe ich auf mich acht
Sehe auf meinen Weg und
Fürchte von jedem Regentropfen
Daß er mich erschlagen könnte
15 Zweitstimme(n):
Freiheit für Grönland, nieder mit dem Packeis!
Famos hingelegt auch, Besteste!
leichter in die suppe geht POEM.
Seufz. Da kommen Erinnerungen hoch. Auf den Bänken meiner Schule stand sehr häufig AC/DC, Kiss, Motorhead, Deep Purple eingeritzt und nachcoloriert - also mit Vorliebe laute Bands mit eigener Typographie...
Ich brauche dich
sollst du nie sagen
Eine Anmaßung
oft eine Lüge
Ist es wahr
wirst du es fühlen
dich vor nichts
und niemals fürchten
... bevor hier noch jemand Angela hochleben läßt, will ich lieber ein anderes Geburtstagskind dieser Tage mit seinem weniger liebreizenden Heldenplatz aufrufen - paßt einfach besser zur Gegenwart.
@ole: Klimaschutzmäßig ein gewagtes Statement, verehrter ole.
@platudjour: Nicht mal das wollte glücken.
@lundi: Da hatten Sie wohl ein recht hartmetallene Schulzeit.
@opa: Wunderbar! Selbstgemacht?
[Am Ende stammt es von einem Profi, und wenn ich tippen müsste, Bachmann, aber nachgoogeln schiene mir unfair]
@anonym: Selbt dieses Geburtstagskind hatte auch schon mal was mit dem Herzen: "Ich habe nun mal mein Herz an Österreich gehängt. Und da hängt es nun". Über Angela werden Sie von mir im Übrigen nichts hören.
Anmütigste Taupou,
Opa Alii ist zwar mit einer erheblichen Menge krimineller Energie ausgestattet, doch geistigen Diebstahl macht er stets als solchen kenntlich.
Nein, es ist meine direkte Antwort auf den obigen Vers, nichts weiter.
@matei: "nichts weiter"? Mal eben ein Gedicht so schlicht wie anrührend hingelegt, und dann "nichts weiter"? Das ist entschieden zu tief gestapelt. Nimm das (bitte) : Aufrichtige Begeisterung!
Kein Unterschlupf
Nicht sich verstecken
vor den Dingen der Zeit
in die Liebe
Aber auch nicht
vor der Liebe
in die Dinge der Zeit
...aber hier darfst Du ruhig nachgooglen.
...und Opa: darf ich um Zugabe bitten ?
Dein Gesicht
hinter den Sekunden
der Ewigkeit
doch es entschwindet
mit ihnen
Schließe die Augen
lange genug
und fühle tief
die steigende Flut
neuer Liebe
Zelte in Dünen
Wiegen und Gräber
Deiche um Herzen
und deine Hoffnung
bleibt Illusion
Rennen auf Pfaden
die man dir wies
fliehender Schmerz
und alles Beten
vergeblicher Weg
@french kiss: DEN erkenne ich blind. Eine echte Jugendliebe. Gute Wahl!
@opa: Das ist viel zu schade hier für den Kommentarkeller. Darf ich das an prominentere Stelle hieven?
Ich schließe mich Frau Einzelfall an. Danke, lieber Opa, für dieses wunderschöne-traurige Gedicht ! Ohne es zu wissen, kommst Du vielen Dingen, die mir nah sind, sehr nah...
Komisch, schon wieder ein Kommentar weg. Ich schrieb vor ein paar Stunden:
Es ist Ihr Blog. Aber ich fühle mich sehr wohl hier bei Ihnen im Keller mit meinen auf die Schnelle zusammengeschmiedeten Versen hart an der Kitschgrenze.
@opa: blogspot scheint nicht das zuverlässigste zu sein - ich kann leider keine fehlenden Kommentare entdecken oder sonstwie reparieren. *mambl*
Was den Keller angeht, können wir uns vielleicht auf Souterrain einigen, das klingt weniger nach Vernachlässigung. Und was die Kitschgrenze angeht: Eindeutig nicht überschritten, sondern sehr schön mitternachtsgerecht.
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