Grün sich schlängelnde Landstraßen führen zuerst noch vorbei an Orten mit Namen wie
Eisgarn,
Rappottenstein oder
Altmelon, dann an vereinzelten Gehöften und schließlich nur noch kilometerlang durch die Botanik. Am Ende dann eine winklige Allee aus uralten Erlen, die direkt auf das Ziel steuert: Das Hotel ist erreicht.
Gerade rechtzeitig, denn es hat sich ein Mörder-Gewitter zusammengebraut, das just in dem Moment losbricht, als die Pforte erreicht ist. Filmreif. Blitze und klappernde Türen wie bei Edgar Wallace.
Unbesetzt die kleine Rezeption, aber im kleinen Büro nebenan wird telefoniert - zu hören ist die Stimme eines älteren Herrn:
"Das sind dreitausend Euro, nicht? Und dann kommen noch zweimal ochthundert dazu. Dann nochamol zweitausendfünfhundert, da sind wir dann schon bei fast neuntausend ... - Songns, Herr Doktor, kann das nicht die Großloge übernehmen?"
So hat sich schon beim Einchecken Österreichs gottvergessenste, als mystisch geltende Gegend - das Waldviertel - alle Ehre gemacht: das Hotel ist ein schlichtes kleines, wunderbar unschnörkeliges Freimaurer-Schloss. Allerspätestens, als wenige Stunden später ein Pracht-Mond über den Wipfeln aufsteigt, über weiß dunstverschleierten Wiesen scheint, in denen wirklich jeden Moment Elfen auftauchen könnten, Fledermäuse und eine leibhaftige Eule vor ihm vorbeifliegen und die Steinstatuen am Treppenaufgang blaugraue Schatten werfen, ist der Zauber vollkommen.
Nur zwei Tage, quasi zum Chill-out und Ferienauftakt, dort geblieben, aber die Zeit hat stillgestanden wie für zwei Wochen, und es wäre überhaupt kein Wunder, wenn Matthias Claudius sein
Abendlied dort gedichtet hätte.