Sehr frei nach den Motiven des
sensationellen Tagesspiegel-Wortspiels, bei dem es darum geht, aus 4 vorgegebenen Begriffen auf die Schnelle eine Top-Story zu zimmern, ist der hierundheutige Artikel aus den Elementen der letzten Tage geklöppelt:
Eine Überdosis Klerikales, verbunden mit Klavierspiel und süddeutschen Köstlichkeiten.
März vor ein paar Jahren. Wir befinden uns in der allertiefsten schwäbischen Provinz, in der Gegend, die sie Ostalb nennen. Autokennzeichen AA für Aalen, gern verwechselt mit Aachen (AC). Dort (in AA, nicht in AC, obwohl das für ihn als Niederländer deutlich günstiger läge) konzertiert Hans Liberg, der mehr als unterhaltsame Klavier-Komödiant. Im Zusammenhang mit einem SowiesonachStuttgartmüssen-Termin ein guter Grund für einen Ausflug in diese Gegend, in die man als Auswärtiger vermutlich noch maximal wegen der Carl-Zeiss-Werke kommt.
Im knautschigen kleinen Landhotel mit hauseigener Spätzle von Hand schabender Schwiegeroma fragt der Besitzer morgens beim Check-out nicht ohne Stolz, ob man denn schon die nahegelegene Abtei Neresheim besichtigt habe ("da war erscht letschte Woch' ein Kunschthischtoriker aus Italien bei ons"). Wasser auf k.e.s Barockschwäche-Mühlen! Also hin.
Die Anlage ist überraschend groß (wenn auch nicht annähernd so wie Freising neulich), mit angeschlossenem Gutsbetrieb. Von Betrieb kann aber keine Rede sein. Es ist früher Mittag und kein Mensch zu sehen, nur in der (tatsächlich weltberühmten) Balthasar-Neumann*-Kirche ein versprengtes Besichtigerpaar. Klösterliche Ruhe sozusagen. Himmlisch.
*Der Herr vom 50DM-ScheinDie ganze verschlafene Dornröschen-Stimmung lässt nicht vermuten, dass der als Restaurant beschilderte Klosterkeller außerhalb der Saison geöffnet hat, doch genau das ist der Fall. Und so stehe ich als Einzige in einem riesigen Speisesaal mit schönem Gewölbe und, naja, freundlich formuliert: zweckmäßiger Einrichtung. Nachdem strahlend eine sehr herzliche Servicedame (die hier sicher noch Fräulein genannt wird und auch so aussieht, als ob sie damit einverstanden ist) auftaucht und fragt, ob ich essen wolle, ist die Entscheidung dann doch getroffen. Bleiben.
Auf der Speisekarte, Überschrift
Ein Betrieb der Erzdiözese Rottenburg-Stuttgart, findet sich neben dem allgemeinen Teil eine Wochenempfehlung: Montag Schnitzel Wiener Art, Dienstag Gulasch, Mittwoch Ochsenbraten, Donnerstag Schwäbischer Zwiebelrostbraten ... Irgendwie pikant, denn es ist Fastenzeit. Soll da nicht der fromme Katholik auf Fleisch verzichten?
Das freundliche Bedienungsfräulein, aus Neugier darauf angesprochen, meint: "Ja wissen Sie, das wird heute nicht mehr so streng genommen. Und die Leut' wollen halt Fleisch bestellen, es kommt ja auch direkt von hier." Dann - wir sind immer noch weit und breit die einzigen in dem Riesensaal - beugt sie sich verschwörerisch vor und flüstert fast, halb ehrfürchtig halb entrüstet:
"Neulich war sogar der Bischof da, und der hat auch Braten gegessen, am Tag nach Aschermittwoch!".
Sie servieren dort übrigens einen sehr sehr anständigen Trollinger. Erfahrungsgemäß wahrscheinlich noch seltener zu finden als vorschriftsmäßig fastende Schäfchen Roms.